Es ist ein Wechselspiel von formalen Bedingungen und inhaltlich deutbaren Symbolen, in einer meist düsteren, ganz unbunten Farbigkeit, vermischt und vielfach übermalt. Ein dunkles, gleichsam schmutziges, rostiges Rot kehrt immer wider, dominiert zuweilen. Vor helleren Gründen, oft einem Blau, verdichten sich die Komplexe der Bildaussage. Druck und Saugkraft scheinen zu binden, was kaum noch lösbar ist: Schicksalsgefüge, mahnendes Menetekel, eine Archäologie der Katastrophen, von Tragik kündende Reste.

„Unterm Malen ändern sich die Geschichten“, sagt Fritz Hirsch, „nach einer gewissen Zeit übermale ich die Sachen wieder.“ Ein Bild ist für ihn kein Endzustand, er denkt weiter an ihm, es kann nie vollendet werden. Jedes Bild ist eine Zwischenstation in einem dauerhaften Prozess, der nie für abgeschlossen erklärt wird. Die von Fritz Hirsch geschaffene Welt bleibt seinen Eingriffen ausgesetzt, sie kann in Einzelheiten einen Wandel erfahren, vielleicht sogar in der Struktur des Ganzen, doch kaum in der Aussage. Die einstigen Anstöße werden unwichtig bei dieser Methodik der eigenen Assoziationen.

Eine Art Arche Noah der abendländischen Architektur, ein Narrenschiff der Relikte, es eignet sich keineswegs fürs Überleben. Denn alles ist im vorläufigen Endzustand: ein Gerümpel aus Antike und anonymen Rasterbauten, aus Rad und Kirchturm. Der Schiffsbug endet in einer Narrenkappe, der Schiffsleib bäumt sich auf kurz vor dem Untergang.
Ein Tisch mit Tellern, Eine Mitra: Opferung. „Warum opfert der Mensch?“, fragt Fritz Hirsch. „Er will was dafür.“ Ein Krug mit einem Hakenkreuz darauf, ein Fernseh-Apparat, ein Weinglas, von links her eine Käfigform: Sperrmüll der Geschichte. Ein Ofen, ein Swimmingpool, Fische, ein Berg, welcher die Erde als Ganzes meint, ein Rad und statt eines umfangreichen Interieurs ein einzelnes Sofa, Fische auf dem Teller: wahrlich kein Stilleben.
Kronen stehen einzeln oder gegeneinander, selbst ein Fischkopf trägt eine Krone. Auch eine Mitra übt keinerlei beherrschende Wirkung aus. Hörner ähneln Musikinstrumenten, doch ebenso einer Kanone. Spitze Türme mit Kreuzen darauf lassen an Antoni Gaudis Kirche Sagrada Familia in Barcelona denken. Woher wollen wir wissen, woher Fritz Hirsch seine Assoziationen bezieht? Ihre Herkunft kennt er selber nicht immer, sonst würde er nicht vieles im Ungewissen lassen. Labyrinth und Billardtisch – das ist plausibel. Als Musiker spielt er mehrere Instrumente: Posaune und andere Blasinstrumente, Schlagzeug und Gitarre – vor wechselndem Publikum und zu mancherlei Gelegenheiten. Was mag ihm dabei durch den Kopf gehen, welche Bilder und Fragmente bleiben im Gedächtnis, um dort einen Wandel von Form und Inhalt zu erleben? Eine Tuba, zur Familie des Bügelhorns gehörig, mag aufgeladen werden mit Bedeutungen, welche dem Ausübendem näher liegen als seinen Zuhörern. Auch ein Max Beckmann, dem Fritz Hirsch wohl einiges zu verdanken hat, lieferte keine Gebrauchsanleitungen für seine Bilder. Die Exegeten haben viel zu tun damit, alles erklären zu wollen. Was mit Worten zu sagen wäre, bedarf des gemalten Bildes nicht. Das nicht Gesagte, das vielleicht ganz und gar Unsagbare, wird gebannt ins Bild, das allemal Wandelbare.

Den Maler beschäftigen nicht die Probleme der Deutung. Ihm geht es im Prozess des Malens um das Abschattieren der Form, um Plastizität und Verdichtung, um Volumina und einen offen gehaltenen Raum, um Fläche und Umriss. Fritz Hirsch vermeidet Acrylfarben: „Acryl macht nicht mit, was ich will.“ Er wird zum Herrn des Geschehens, welches sich im Bilde offenbart – so verschlüsselt es auch erscheinen mag.

REINHARD MÜLLER-MEHLIS